Die Geschichte der St. Sebastian Schützenbruderschaft Marienloh e.V.


Schon zu allen Zeiten war der Mensch auf Schutz, gleich welcher Art, angewiesen. Es gehörte zum täglichen Leben , die Schwächeren oder Hilflosen zu beschützen. Dieser Schutz zu Anfang der Menschheit gegen die Unbillen der Natur und vor wilden Tieren erweiterte sich schon bald auch auf von Schutz vor Seinesgleichen, dem Menschen. Immer dort, wo lebensnotwendige Güter angesammelt waren und wo Menschen versuchten, sich sozial zu binden und zu wohnen, war der Schutz von Leib und Leben unausweichlich geworden. Dem fleißigen und strebsamen Menschen die Güter und hier insbesondere Lebensmittel abzunehmen, war schon immer eine Begierde raffsüchtiger und wenig fleißiger Menschen, gleich welcher Stellung.

Überfälle, Raubzüge, Mord und Totschlag standen oftmals an. Den Hunger zu stillen, Meinungsverschiedenheiten gewaltsam zu regeln, war meist schon ein Grund, Menschen in ihren Siedlungen zu überfallen und auszurauben. Diesen Untaten wirksam entgegenzutreten und die Schwachen und Hilflosen zu schützen, waren die Aufgaben der Starken. Dies war die Geburtsstunde der Schützen (Beschützer), "ihr Dienst an der Heimat". Später kamen bezahlte Söldner hinzu, die nun gemeinsam mit den "Schützen" diese Aufgaben übernahmen.

Uns ist bekannt, dass auch Marienloh schon zu früheren Zeiten über wehrfähige Männer als Schützen verfügte, die im Bedarfsfalle zur Landesverteidigung herangezogen wurden. Diese waren wie in den anderen kleineren Orten zu einer Schutztruppe zusammengefasst, die dem Fürstbischof unterstand.

Schriftlich festgehalten ist, dass am 21.Jan.1601 Marienloher Schützen unter dem Befehl des Stifthauptmanns Georg von Bose vom Bosenhof in Pömbsen gemeinsam mit anderen Schützen die 700 holländischen Reiter, die Benhausen besetzt hatten, in die Flucht schlugen und somit Benhausen vom Feind befreiten.

In dem darauf folgenden 30-jährigen Krieg (1618-1648) kam das Schützenwesen vielfach in Unordnung. Viele Schützengilden führten ein kümmerliches Dasein, andere Vereine verschwanden ganz. Bei der Neubelebung des Schützenwesens bzw. bei der Neuordnung der Schützenbruderschaften war man vielerorts darauf bedacht, auch neue Satzungen seitens der Obrigkeiten herauszugeben. Generell wurde das Schützenwesen im Jahre 1750 im Paderborner Land neu geregelt. Daraus resultiert auch, dass es in unserer Umgebung Schützenvereine gibt, die schon mehr als 250 Jahre existieren.

Nachfolgend ein Schützenbrief bzw. Vereinsstatut vom 27.Nov.1655, erarbeitet von der Abtissin Claudia Seraphia dero Kayß, geborene Gräfin zu Wolkenstein, des Neuenherser Damenstiftes. Eine Vorgängerin der Abtissin Maria Theresia von Haxthausen, die in Marienloh 1752 die Dreifaltigkeitsprozession neu belebte.

"Verordnet und anstellen mügten, die dan folgenden Articulen nachzukommen und bey der dabey angezogener Straff gemeß zu leben verbunden sein sollen wie folgt:“

Erstlich verordnen Wir gnedig, daß welcher unter der Schützen- Bruderschafft einigen Unlust mit Worten oder Wercken verursachen würde, soll drey Schilling der Schütten Bruderschaft zu geben verbunden sein, dafern auch unter Ihnen einige Schlägerey mit geschenk (Biergläsern) oder sonsten vorfallen würde, so gleichwollen nicht blutründig, solle der Schuldiger mit einem Drilling Bier bestraffet werden.

Zum anderen soll kein Schütze Bier über den Süell verschenken bey Straff drey Schilling.

Drittens, welcher so viell Bier alß mit einem Fueß nicht bedeckt werden kann, vergiessen wirdt ,solle zwey pfennig in die armen büchsen geben.

Viertens, da einer eine volle Teute (eine Teute ist eine Kanne mit der das Bier aus dem hölzernen Fass geholt und dann in das Glas geschüttet wird) Bier vergeust, soll alsobalt bezahlen, so viel darin gehett.

Zum fünfften, solle von den Schützen Brüdern auß dem Wirths Hauß weder einiges Bier verschickt noch heimb getragen werden,

bey Straff eines Driling Biers.

Zum Sechsten, welcher einig geschenk zerbrechen wird, solle solches waß es kostet alsofort bezahlen.

Zum Siebenten, solle kein Schütze einigen frembden Gast in die Geselschafft mit zu bringen haben, dafern aber einer einen gueten Freundt Eren halber notigen müste, solle er solches der Bruderschaft Dechen ansagen und für denselben bezahlen.

Achtens, soll kein Schütze auß seinem Hause (mehr als) nur alleine seine Fraw mit bringen, bey Straff drey Schilling.

Zum neundten, soll ein jeder Schütte ein gut Fewr Rhor haben, so nicht gezogen oder geriffelt ist, dafern solches im Schiessen oder wan die Schütten aufzubrechen von Uns befehligt würden, ohne sonderbare erlaubniß erfunden würde, sollte solcher mit einem Drilling Bier bestafft werden.

Zehnndtens, wan der vogel gewonnen wirdt, sollen alle Schütten und ein jeder absonderlich dem Schützen Dechen ein halb kopfstück einhendig auf des Königs Huet, hergegen soll der König der Schützenbruderschaft einen Drilling Bier zu geben verbunden sein.

Zum Eilfften, ein jeder Schütte soll auf Sebastian sich zeitlich früh in der Messe finden lassen, und sein opffer alda verrichten, welcher aber ohne erlaubnuß seines Rottmeisters oder Dechens außpleiben würde, solle mit drey Schilling bestrafft werden, und solle von dessen Fawen das opffer gleichwohl verrichtet werden.

Zwölfftens, wan nach gottlichen willen auß dieser Schütten Bruderschaft es sey man oder Fraw versterben wirdt, der, oder die selbe solle von dem Schütten Dechen oder amptern nach altem gebrauch zum Kirchhoff getragen werden, die Schütten sollen nechst der Freundschaft (Verwandtschaft) dem Leich ordentlich folgen, im gleichen auch der auf der Begängniß (dreißigtätiges Seelenamt) alle Schütten sollen opffern, alles bei Straff drey Schilling.

Zum Dreyzehndten, wan eines Schütten Fraw zur Zeit der Gesellschaft oder Zusammenkunfft wegen Leibes Schwachheit nicht kommen könnte, solle derselben täglich zwei maaß Bier geschickt werden.

14. sollen sich die Schütten in der Zusahmenkunft rüstig halten, die Haar abschneiden, keine Strumpffhosen noch weise Sackhosen tragen, bey Straff drey Schilling.

15. sollen die Schütten ihrem Dechen, Ruhhern, Potthern, Bruckhern als Ihren Amptern und Rottmeister gehorsamb sein bey Straff eine Reichstalers.

16. Wan die schütten auf unser befehlich aufgefordert werden, Solle niemandts Sonder Leibs Schwachheit zu Hause bleiben, der Übertretter solle der Schütten Bruderschaft einen Drilling zu Bier geben verbunden sein, es soll auch ein jeder Schütte sein Rohr und gewehr fertig halten, auch soll ein Jeder Schütte nach Vermugen ein gutt Wandtkleidt (Tuchrock) haben, bey voriger angezogener Straff.

17. Wan die Schütten aufgefordert werden und Ein oder ander seines gewehrs In Hern diensten vom feindt beraubt würde, sollen und wollen die Gemeinheit ein solches gewehr ohne sein Zuthun innerhalb Monats frist wieder verschaffen.

18. Falß die schütten auch von Unß in Landts Noturfft aufgefordert wereden, und kurzz oder lang außplieben, soll einem Jeden taglich ein kopffstück zu seiner Unterhaltung gegeben werden.

19. In der Schütten Bruderschafft zusahmenkunfft soll keiner im gelach auser der Rige anderen hinundwieder zutrinken, sondern seinem Nachbarn warten, bey Straff zwey pfennig an die armen buchsen.

20. Die Schüttenbruderschaft solle macht haben auß der gemeindte einen schütten ab undt einzudetzen.

21. Solle kein Schütte kein Messer oder gleich Schadlich gewehr in der gesellschafft bey sich halten bey Straff drey schilling.

22. Ist bewilligt, daß welcher kein Schütte wolle sein, solle der Bruderschafft ein Malter (8 Scheffel) gersten geben. Entlich und zu Letz dafern von der Schüttenbruderschafft Ein oder ander diesen Articuln Im geringsten zugegen handlen, thun oder Sprechen würde, umb solche zu bestraffen, sollen von den Schütten Hauptern solche an Uns angebracht werden.

So geschehen am 27. tag Monats Novembris Im Jahr 1655

Claudia Seraphina Abtissin.

Es fällt auf, dass für manches Unbedeutende Bestimmungen vorgesehen sind, aber für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern und deren Regelungen sowie über die Kassenführung und Rechnungslegung, Vorschriften fehlen. Bis zur Gründung eines Marienloher Schützenvereins bedurfte es allerdings noch fast 250 Jahre. Die Gründung von Schützenvereinen hatte vielerlei Ursachen. Hauptgrund wird wohl der gewesen sein, dass man in den noch immer vereinsarmen Zeiten eine weltliche Zusammenkunft suchte, die stark christliche Akzente setzte. Man erkennt es schon daran, dass die Worte "Glaube, Sitte, Heimat" in allen Vereinsstatuten zu finden sind. Aber auch der Wunsch nach gemeinsamen städtischen oder dörflichen gemeinsamen Festen war ein prägendes Element.

Vergleicht man die Gründungsjahre der Schützenvereine der benachbarten Gemeinden, so finden wir Neuenbeken mit dem Gründungsjahr 1612, Altenbeken 1751, Paderborn 1831, Benhausen 1836, Bad Lippspringe 1907, Wewer 1910, Neuhaus 1913 und Dahl 1927. Marienloh mit dem Gründungsjahr 1904 liegt somit im guten Mittelfeld.

Immer dann, wenn sich eine Vielzahl von gleichgesinnten Männern zusammenfand, rückte die Gründung eines Schützenvereins in greifbare Nähe. So war es auch in Marienloh, als am 16. April des Jahres 1904, es war mit 38°C der heißeste Tag des Jahres, 46 Männer gemeinsam den Wunsch äußerten, einen eigenen Verein zu gründen.

Es war die Zeit der Kaisertreue, in der Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt in eine Wirtschaft noch verwehrt war. Bis zu 25 Jahren war man noch ein "Schnuttjunge", es sei denn, man hatte gedient und konnte auf Anhieb Dienstgrad und Einheit perfekt angeben.

Nachdem die Satzungen von den 46 Anwesenden genehmigt worden waren, schritt man zur Vorstandswahl. Oberst wurde Heinrich Rudolphi, Hauptmann Konrad Prior, Schriftführer und Kassierer Alois Koch. Dem erweiterten Vorstand gehörten noch folgende Herren an: Casper Meyer, Anton Busch, Johannes Deppe, und Anton Lütkehaus.

In Marienloh gab es zu der Zeit außer in den beiden Wirtschaften Koch und Müller mit ihren Schank- und Nebenräumen noch keine geeignete größere Räume zum Feiern. Gefeiert wurde im Zelt oder im Freien. Zeltfeste waren immer kostenaufwändig und deshalb verbunden mit scharfer und genauer Kontrolle über den Besitz einer Platz- bzw. Tanzkarte. Ohne Tanzkarte war das Betreten der Tanzfläche fast unmöglich.

Das erste Marienloher Schützenfest fand am 19. und 20.Juni 1904 im Zelt auf Kochs Wiese statt. Die Gründer bzw. der Verein hatten in der frühen Festsetzung des Termins eine glückliche Hand bewiesen. Es begann zu der Zeit hier zu Lande eine lang anhaltende Trockenzeit bzw. Dürre. Ein zweiter Grasschnitt (Grumet) war nicht mehr gegeben. Das Wintergetreide wurde notreif und brachte nur einen geringen Ertrag. Das Sommergetreide vertrocknete auf dem Halm und machte eine Ernte überflüssig. Das Vieh wurde im Herbst mit dem Futter versorgt, welches als Wintervorrat dienen sollte.

Wegen dieser schrecklich armen Zeit lässt sich auch erklären, warum der Ortschronist, Lehrer Friedel, in seinem Jahresbericht nicht eine einzige Zeile über die Gründung oder das Fest berichtet, wohl aber den eben genannten Ereignissen viel Platz einräumt. Aber wie immer, die Marienloher ließen den Mut nicht sinken, vielleicht hatte auch die eben durchgeführte Gründung des Schützenvereins in dieser Hinsicht etwas Gutes für sich. Hilfsbereitschaft und näheres Zusammenrücken unter dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes Leid" und gegenseitige Hilfe milderten Schlimmeres.

Die Mobilität der Menschen von Ort zu Ort war noch stark begrenzt. Dieser Zustand wurde durch die Zugverbindung 1906 und später durch die Straßenbahn 1911 wesentlich verbessert. Nun konnten die Bürger der Stadt Paderborn und von Bad Lippspringe gemeinsam mit den Marienlohern ein dörfliches, ländliches Schützenfest feiern, ein Brauch, der bis in die heutige Zeit gepflegt wird.